Eine Seilbahn für die Wasserstadt?

Die Grünen wollen eine Seilbahn für das Neubaugebiet in Limmer – und der Stadtbaurat hält die Idee für prüfenswert

 

 

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AUGUST 2016

Wie wird die zukünftige Wasserstadt angebunden sein? Die Grünen wollen eine Seilbahn für das Neubaugebiet in Limmer aus Angst, dass zusätzlicher Stadtbahnverkehr die Strecke zu sehr belasten könnte. Der Stadtbaurat hält die Idee für prüfenswert.

An die Expo denkt Daniel Gardemin gern zurück. Auch in den knallgelben Gondeln der Seilbahn, die über das Gelände schwebten, hat er öfter gesessen. Doch die Erinnerungen an die Weltausstellung waren es nicht, die den Parteichef der hannoverschen Grünen zu seinem jüngsten Vorstoß veranlasst haben: Eine Seilbahn zur Wasserstadt wünscht sich Gardemin. In luftiger Höhe könnte vom Königsworther Platz entlang der Leine eine Verbindung zu dem künftigen Wohngebiet in Limmer geschaffen werden – so schwebt es Gardemin vor. „Das wäre keine Touristenattraktion, sondern eine Alternative zur Stadtbahn“, stellt er klar. Stadtbaurat Uwe Bodemann und die Üstra halten die Idee offenbar nicht nur für eine Luftnummer. Sie sei interessant, müsse aber sorgfältig geprüft werden, lautet der Tenor.

Endpunkt Wasserstadt

Endpunkt Königsworther Platz

Zwischenstation Linden

„Seilbahnen kennen keinen Stau, keine Ampel, stehen häufig zur Abfahrt bereit, haben einen geringen Energie- und Platzverbrauch, sind emissionsarm und verursachen keinen Lärm“, wirbt Gardemin in dem Antrag, mit dem die Stadt zur Seilbahn-Prüfung aufgefordert werden soll. Denn der Grüne, der auch Fraktionschef im Bezirksrat Linden-Limmer ist, sorgt sich, dass die geplante Stadtbahnanbindung der Wasserstadt mit ihren 3500 Bewohnern Probleme bereiten wird. Wenn zusätzliche Bahnen Richtung Limmer durch den Stadtbezirk rauschen, werde die bestehende Strecke zu sehr belastet.

Bei Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim stößt der Vorschlag auf offene Ohren. Der emeritierte Professor der Uni Trier gilt hierzulande als einer der lautstärksten Anhänger von Seilbahnen im städtischen Raum. „Bisher hat man das für einen Aprilscherz gehalten, aber inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt“, sagt er. In Städten wie Koblenz, Berlin, Bonn und Wuppertal sei das Thema längst angekommen. Nach seinen Worten haben Seilbahnen auch den Vorteil, dass sie vergleichsweise schnell zu errichten sind. Der Professor schätzt, dass eine Seilbahn für die Wasserstadt binnen neun Monaten erbaut werden kann; der Bau einer Stadtbahnstrecke könne da nicht mithalten.

„Das wäre keine Touristenattraktion, sondern eine Alternative zur Stadtbahn.“

Die Wasserstadt-Strecke sei mit rund drei Kilometern ideal für eine Seilbahn, meint Monheim. Auf langen Strecken sind die Gondeln, die nach dem Pater-Noster-Prinzip verkehren, mit einer Spitzengeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern schlicht zu langsam. Für die Wasserstadt hält der Wissenschaftler eine Kapazität von 3000 Personen pro Stunde – in jeder Richtung – für denkbar. Die Gondelsysteme seien so flexibel, dass auch stündliche Passagierzahlen zwischen 1000 und 7000 möglich seien, erklärt er. Die zeitlichen Abstände zwischen den vorbeischwebenden Gondeln lägen in der Regel zwischen 35 Sekunden und maximal zwei Minuten.

Laut Monheim sind Seilbahnen auch günstiger als Stadtbahnen: Mit etwa 10 Millionen Euro je Kilometer kosteten sie im Vergleich nur etwa ein Drittel. Eine Rechnung, die die Üstra nicht bestätigen kann. „Ein Kilometer Stadtbahn kostet etwa 15 Millionen Euro“, sagt Sprecherin Katja Raddatz. Je nach Bauprojekt könne es auch mal 20 Prozent günstiger oder teurer werden. „Für eine Seilbahn gibt es noch ganz viel Klärungsbedarf“, sagt Raddatz. „Grundsätzlich stehen wir dem Thema aber offen gegenüber.“ Wichtig sei vor allem, eine seriöse Machbarkeitsstudie zu erstellen.

Für die Ratsfraktion der CDU ist das offenbar nicht mehr nötig: „Das Ganze ist ein Wahlkampf-Gag“, konstatiert der baupolitische Sprecher Felix Blaschzyk. Auch SPD-Bauexperte Jürgen Mineur schüttelt den Kopf: „Ich halte das für einen Schnellschuss und extrem unrealistisch.“ Die Seilbahnstrecke würde über dicht besiedeltes Gebiet führen – was gefährlich werden könnte. Außerdem sei am Leineufer zu wenig Platz für die massiven Seilbahnstationen.

Bedenken hat auch Herrenhausen-Chef Ronald Clark, wenn Gondeln in Sichtweite der Herrenhäuser Gärten in der Luft schweben sollten: „Das beeinträchtigt das Erscheinungsbild der denkmalgeschützten Anlagen.“ Der Blick von oben auf die Gärten hingegen wäre ein  ganz besonderer Hingucker.

Von Juliane Kaune

Mehr als bloße Gondelei: Ein Kommentar zum Thema

Die Europäische Union liebt die Einheitlichkeit und kümmert sich um vieles, natürlich auch um Fortbewegungsmittel aller Art. Vor einigen Jahren hat sie eine Richtlinie über Seilbahnen im Personennahverkehr verabschiedet, die die Länder in gültiges Recht überführen mussten. „Die Richtlinie ist auch dort umzusetzen, wo es im Augenblick keine Seilbahnen gibt und in absehbarer Zeit auch keine geben wird“, verlangte die EU. Das war insofern weitsichtig, als nun wenigstens entsprechendes Regelwerk existiert, wenn in Hannover eine errichtet würde.

Mit dem Antrag, die Stadtverwaltung solle den Bau einer Gondelbahn zwischen dem Königsworther Platz und dem künftigen Wohngebiet Wasserstadt in Limmer prüfen, haben einige Grüne um Parteichef Daniel Gardemin in dieser Woche Aufsehen erregt. „Interessant“ fand man das im Rathaus, was eine Bewertung ist, die Interpretationsmöglichkeiten offen lässt. Im politischen Raum fielen Worte wie „Luftnummer“ oder „Wahlkampfgag“.

Wieso eigentlich? Gardemin und seine Grünen haben nicht Utopisches vorgeschlagen, sondern etwas, was es in anderen Städten längst gibt. Norddeutsche sind nicht unter ihnen, weil die Hamburger in einem Bürgerentscheid vor zwei Jahren eine Seilbahn über die Elbe zwischen St. Pauli und den Musicalbühnen im Hafen abgelehnt haben. Ihre Hauptargumente: Die Seilbahn würde noch mehr Touristen ins ohnehin schon überfüllte Viertel locken. Die 130 Meter hohen Masten, die notwendig wären, damit große Containerschiffe unter den Gondeln durchfahren können, zerstörten das Stadtbild.

Das ist nachvollziehbar, taugt aber nicht als Blaupause für Hannover. Seilbahnen in Städten sind bisher mehrheitlich als Touristenattraktionen geplant worden; auch an der Elbe war das das Hauptargument. Die Grünen wollen die Seilbahn aber als zusätzliches Nahverkehrsmittel einsetzen, die Abmessungen wären viel kleiner als in Hamburg. Das kann man so belächeln, wie es anno dunnemals manche mit den ersten Autos und Eisenbahnen getan haben. Man kann aber auch intensiver darüber nachdenken.

Erstens gibt es bisher kein wirklich überzeugendes Nahverkehrskonzept für die Wasserstadt, auch wenn einige Politiker das behaupten. Ob dort jemals eine Stadtbahn halten wird, ist sehr zweifelhaft. Zweitens sind Seilbahnen längst flexibel konstruierbar und bieten eine Reihe von Vorteilen: Sie entlasten Straßen, auf denen sich schon Fußgänger, Radfahrer und Autos mit Bussen und Bahnen drängeln. Sie sind leise und werden von Ökostrom angetrieben. Sie lassen sich preiswerter, schneller und platzsparender bauen als eine Stadtbahn. Das versprechen nicht nur die Herstellerfirmen, sondern auch Verkehrsexperten. Und wenn Hannover es tatsächlich schaffen würde, eine solche Seilbahn für den Nahverkehr zu bauen, dann hätte die Stadt ein Vorzeigeprojekt, das wunderbar zu einem fortschrittlichen Stadtteil passen würde, wie es die Wasserstadt werden soll.

Alles Seifenblasen? Mag sein. Aber wer glaubt, das jetzt schon zu wissen, weiß vermutlich auch, dass kein Autokonstrukteur je auf die Idee gekommen wäre, auf die zunehmende Enge auf den Straßen der Großstädte mit dem Bau immer größerer Autos zu reagieren. Im Ernst: Die Grünen verlangen eine Prüfung, nicht mehr und nicht weniger. Sollte dabei herauskommen, dass die Seilbahn-Idee nichts taugt, ist das wenigstens nachgewiesen. Außerdem haben Seilbahnen noch einen Vorteil: Sie lassen sich schnell wieder abbauen.

Von Bernd Haase

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