„Wasser steht uns bis zum Hals“: Bürger drängen auf Verkehrskonzept für die Wasserstadt
Keine Stadtbahn, keine S-Bahn, keine Seilbahn – doch wie soll die Wasserstadt Limmer verkehrstechnisch angebunden werden? Darüber haben Bürger mit Vertretern von Stadt und Region Hannover diskutiert. Das Interesse war groß – die Enttäuschung auch: „Wir haben vor allem gehört, was nicht möglich ist“.10.
Mai 2021
Wie soll das Verkehrskonzept für die Wasserstadt Limmer aussehen? Die Arbeiten für den ersten Bauabschnitt des Quartiers laufen längst. In der vergangenen Woche hat ein Expertenteam unter Beteiligung der Öffentlichkeit die Arbeit aufgenommen, um ein Mobilitäts- und Verkehrskonzept auszuarbeiten. Das Interesse von Bürgerinnen und Bürgern war groß – rund 75 Menschen verfolgten die Onlineveranstaltung –, die Enttäuschung aber auch. „Ich bin einigermaßen entsetzt“, sagt etwa ein Mitglied der Bürgerinitiative (BI) Wasserstadt Limmer, nachdem Stadt und Region über den aktuellen Stand informiert hatten.
Gerade die Bürgerinitiative betonte, dass ein Verkehrskonzept nötig sei. „Das Wasser steht uns in Limmer beim Verkehr bis zum Hals“, sagte Klaus Kokemoor. Es sei wichtig, dass der öffentliche Nahverkehr schon da sei, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner in das neue Quartier ziehen.
Doch im Streit um eine Anbindung der Wasserstadt an den öffentlichen Nahverkehr wurde bei der Veranstaltung vor allem darüber geredet, was alles nicht möglich ist. Die bestehenden Angebote durch die Buslinie 700 und die Stadtbahnlinie 10 erreichen bislang nur den südlichen Teil der geplanten Wasserstadt. Einen immer wieder geforderten Stadtbahnanschluss wird es nach Angaben der zuständigen Region Hannover auf absehbare Zeit nicht geben. Dazu seien verschiedene Varianten geprüft worden, sagte Markus Knoblich vom Fachbereich Verkehr der Region Hannover.
„Es hat sich gerächt, die Wasserstadt zu planen, ohne sich Gedanken um den Verkehr zu machen.“
Weder bei einem neuen Linienast noch bei einer Verschiebung der bestehenden Trasse sei der Nutzen höher als die Kosten. Einzig eine neue Trasse nach Ahlem-Nord will die Region nicht komplett ausschließen. „Für diese Strecke gibt es eine langfristige Perspektive, wenn sich zum Beispiel in Bereich Ahlem-Nord noch etwas tut“, sagte Knoblich.
Eine Absage gab es ebenfalls in Sachen S-Bahn. Hier hatte etwa die Bürgerinitiative Wasserstadt Limmer einen Haltepunkt Wunstorfer Straße auf der Güterumgehungsbahn ins Spiel gebracht. Eine S-Bahn-Linie sei unter anderem wegen des vielen Güterverkehrs aber nicht möglich, so Verkehrsexperte Knoblich von der Region Hannover. Zudem könne eine S-Bahn-Station voraussichtlich nicht barrierefrei gebaut werden.
Auch eine Seilbahn wird nach Angaben der Region nicht kommen. Die würde zwar die Wasserstadt erschließen, den Rest auf der Strecke aber nicht. Zudem bediene eine Strecke etwa zum Königsworther Platz nicht die tatsächlich nachgefragten Ziele.
Was ist nun also die Lösung für eine ÖPNV-Anbindung? Der Bus soll es aus Sicht der Region richten. Ein Busshuttle aus der Wasserstadt zur Stadtbahn sei derzeit nicht realistisch. Den Experten schwebt vielmehr eine Verstärkung der Linie 700 vor. „Es könnte Verstärkerfahrten in die Wasserstadt geben, um das zusätzliche Fahrgastaufkommen mitzunehmen“, sagte Knoblich. „Wenn die Wasserstadt bis in die Spitze gebaut ist, könnten diese Verstärkerfahrten bis dorthin geführt werden.“ Standorte von möglichen Haltestellen müsse die Region noch mit der Stadt Hannover abstimmen. Die Linie 700 selbst solle weiter so fahren wie jetzt auch schon.
Vertreter der Bürgerinitiative Wasserstadt Limmer warnten indes, die Busse der Linie 700 stünden schon jetzt häufig im Stau. Die Situation auf der Wunstorfer Straße sei „dramatisch“, sagte BI-Mitglied Kokemoor. „Wir haben gezählt und festgestellt, dass in 95 Prozent der Autos Menschen alleine fahren.“
Vom Tisch zu sein scheint zumindest vorerst eine Tempo-30-Zone auf der Wunstorfer Straße. „Das geht aus rechtlichen Gründen nicht, solange das eine Bundesstraße ist“, sagte Andreas Bode vom Fachbereich Tiefbau der Stadt Hannover. Unabhängig davon handele es sich dabei um eine Hauptverkehrsstraße und eine Vorfahrtstraße. Hier könne es Tempo-30-Zonen nur vor Schulen oder Altenheimen geben, was die Wunstorfer Straße zum jetzigen Zeitpunkt nicht betreffe. Auch eine Verlegung der B 441 ändere nichts an der verkehrlichen Bedeutung der Straße. „Der Verkehr bleibt trotzdem da“, so Bode.
Weniger große Hürden hat indes der Radverkehr zu überwinden. „Die Wasserstadt wird zukünftig an die Veloroute angebunden sein“, sagte Bernd Michaelis vom Fachbereich Umwelt und Stadtgrün etwa mit Blick auf die geplante Veloroute 11. Probleme gebe es allerdings bei einer Brücke, die die Wasserstadt über Leine und Leineabstiegskanal Richtung Innenstadt verbinden könnte. Durch das anliegende Landschaftsschutzgebiet Mittlere Leine seien gewisse Querungen dort nicht möglich. Für die Bürgerinitiative liegen trotzdem gerade im Radverkehr Chancen. „Das Rad scheint mir im Moment die beste Lösung zu sein“, sagte Mitglied Kokemoor.
Insgesamt zeigte sich aber eine große Enttäuschung seitens der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Wir haben an vielen Stellen gehört, was nicht möglich ist“, sagte Kokemoor. Er forderte einen kreativen Umgang mit Problemen. „Alles was technisch nicht einfach ist, aber machbar, sollten wir jetzt tun.“ „Es hat sich gerächt, die Wasserstadt zu planen, ohne sich Gedanken um den Verkehr zu machen“, sagte auch Uwe Staade von der BI. Baudezernent Thomas Vielhaber sagte, er könne die Stimmung der Bürger und Bürgerinnen verstehen. „Wir versuchen, innerhalb der Vorgaben Lösungen zu finden“, so Vielhaber und betonte: „Wir haben die gleichen Interessen.“
Bürgerinnen und Bürger können Ideen noch bis zum Ende des Monats online auf www.meinquartier2030-ll.de und über eine sogenannte Mitmachbox an der Wunstorfer Straße 108-112 einreichen. Die Ergebnisse sollen auf einer Folgeveranstaltung am 14. Juli vorgestellt werden.
Von Maximilian Hett
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