Streit um Wasserstadt: Sind mehr Wohnungen geplant als vor der Wahl versprochen?
Versprechen gebrochen? Noch kurz vor der Kommunalwahl hat die Stadt beteuert, dass im Neubaugebiet nicht mehr als die vereinbarten 1800 Wohnungen gebaut werden. Eine Woche später wird bekannt: Zwei neue Investoren fordern mehr Wohnfläche – sonst sei das Projekt nicht wirtschaftlich. Anwohner und Politik sind sauer.21.
September 2021
Um das zweitgrößte Wohnbaugebiet der Stadt bahnt sich neuer Streit an – und diesmal geht es um die Frage, wie verlässlich die Zusagen sind, die die Stadtverwaltung ihren Bürgern vor einer Wahl macht.
Maximal 1800 Wohnungen sollten in der Wasserstadt Limmer errichtet werden – dieses Zugeständnis hat die Stadt den Anliegern gemacht, weil diese vor allem eine erhebliche Zunahme des Verkehrs auf den Stadtteilstraßen fürchten. Im Sommer sickerten Informationen durch, dass das Baudezernat diese Zahl auf bis zu 2200 Wohnungen aufweichen wolle. Die Stadtverwaltung dementierte zunächst hart und sprach bis kurz vor der Kommunalwahl von einem „Missverständnis“: Es bleibe ausdrücklich bei 1800 Wohnungen.
Eine Woche nach der Wahl ist dieses Versprechen nun offenbar nur noch wenig wert. Am Montag hat das Baudezernat drei europäischen Architekturbüros, die in einem Wettbewerb Grundzüge für die weitere Bebauung des Geländes entwickeln sollen, neue Details zu dem Projekt geschickt – mit der Bitte, auch Varianten für den Bau von etwa 230.000 statt 190.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche zu entwickeln. Das wären insgesamt rund 2200 statt 1800 Wohnungen.
Die Bürgerinitiative Wasserstadt Limmer ist verärgert und spricht von einem „Vertrauensbruch gegenüber der Einwohnerschaft“. „Wir befürchten, dass dauerhafte Stadtteilqualität kurzfristigen Investoreninteressen zum Opfer fällt“, schreibt BI-Sprecher Uwe Staade in einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Belit Onay und bittet: „Stoppen Sie das Vorgehen der Bauverwaltung.“
„Wohnungsbaubedarf decken“
In einer Stellungnahme des Baudezernats für die HAZ hieß es gestern, die Ausweitung solle helfen, den „erkennbaren Mangel an möglichen Bauflächen zur Deckung des weiteren Wohnungsbaubedarfes in der wachsenden Stadt“ zu decken. Zugleich aber hätten die Investoren des Baugebiets signalisiert, dass sie mehr Wohnraum schaffen müssten, um wirtschaftlich arbeiten zu können und zugleich auch teilweise preiswerten Wohnraum anbieten zu können.
Tatsächlich hat es bei den Investoren nach Informationen der HAZ eine Änderung gegeben. Den ersten Bauabschnitt (550 Wohnungen) hatte Wasserstadt-Entwickler Günter Papenburg mit der Braunschweiger Firma Orange Blue (gehört zur Volksbank Braunschweig) gemanagt, man hat sich nun aber getrennt. Für den zweiten Bauabschnitt (bisher 1250 Wohnungen geplant) sollen jetzt als neue Investoren die Hamburger ECE und die Wohnkompanie-Nord an Bord sein.
ECE betreibt weltweit Shoppingcenter (in Hannover die Ernst-August-Galerie am Hauptbahnhof), steigt aber zunehmend in das lukrative Geschäft mit Wohnungen ein. Die Wohnkompanie-Nord gehört zur Bremer Zech-Gruppe und entwickelt in Hannover zum Beispiel im Expo-Park den Holländischen Pavillon mit 380 Studentenappartements. Die Verträge von Papenburg mit beiden Firmen sollen unterschriftsreif sein. Die Firmen sollen aber mehr Wohnfläche auf dem Gelände fordern, um Wirtschaftlichkeit herzustellen.
Baudezernent Thomas Vielhaber (SPD) will die Architekturbüros im Gegenzug prüfen lassen, ob zum Beispiel mit standardisierten Bauweisen preiswertere Wohnungen geschaffen werden können. Bislang liegen die Neubauten der Wasserstadt eher im hochpreisigen Segment. Ob es aber überhaupt zu einer Ausweitung der Zahl der Wohnungen auf dem Wasserstadt-Gelände kommt, ist völlig offen: Der Rat hat die Obergrenze von 1800 Wohnungen beschlossen – und sein Votum ist bindend auch für die Stadtverwaltung.
Von Conrad von Meding
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