Kommentar: Wohnen in der Wasserstadt nur für Arme und Reiche – aber nicht für Normalverdiener?
In der Wasserstadt werden Wohnungen nur noch für Reiche und Arme bezahlbar sein. Politik und Bauunternehmen müssen sich etwas für junge Familien einfallen lassen.11.
Januar 2020
Nach jahrzehntelangen Diskussionen haben endlich die Bauarbeiten für die Wasserstadt Limmer begonnen. Die Erwartungen sind hoch, die Fallhöhe ist es ebenfalls. 3500 Menschen sollen am Leine-Stichkanal wohnen, das Quartier soll ein Zuhause für alle sozialen Schichten bieten. Nur: Diese Erwartung dürfte sich nicht erfüllen.
Bei Preisen für Eigentumswohnungen von durchschnittlich 6400 Euro pro Quadratmeter und Mieten, die im Schnitt bei 13,50 Euro pro Quadratmeter liegen, ist klar, wer in der Wasserstadt wohnen wird: Gutverdiener und Menschen mit Vermögen. Da die Investoren verpflichtet sind, 20 Prozent des Wohnraums zum Sozialtarif anzubieten, wird die Wasserstadt zudem für Menschen mit geringem Einkommen und B-Schein-Inhaber interessant. Und die Mittelschicht? Die jungen Familien und Berufseinsteiger? Für sie hat sich der Wohnort am Wasser erledigt.
Stadtverwaltung, Eigentümer und Wohnungsbauunternehmen weisen sich gegenseitig die Schuld zu. Bauunternehmen meinen, dass die Grundstückspreise zu hoch seien. Zudem trage auch die Stadt mit ihren hohen Auflagen dazu bei, dass die Baukosten in die Höhe schnellen. Eigentümer Günter Papenburg verweist auf die hohen Sanierungs- und Erschließungskosten für die Industriebrache. Auch hätte das Gelände dichter bebaut werden müssen, um die Preise zu drücken. Eine Lösung muss her.
Aus der SPD kommt ein bedenkenswerter Vorschlag: Nicht nur der soziale Wohnungsbau solle künftig aus der Stadtkasse gefördert werden, meint die SPD, auch der Neubau von Wohnungen mit einem Mietpreis zwischen 8 und 8,50 Euro. Die Idee weist in die richtige Richtung, denn es geht nicht nur um ein spezifisches Problem der Wasserstadt Limmer. Grundsätzlich sind Neubauwohnungen in Hannover für Menschen mit mittleren Einkommen kaum noch bezahlbar.
„Politik, Stadtverwaltung und Investoren müssen sich etwas einfallen lassen – denn so kann es nicht bleiben.“
Auch im größten Neubaugebiet der Stadt am südlichen Kronsberg geht die soziale Schere auseinander. Zwar soll hier sogar ein Viertel der Wohnungen zum Sozialtarif vermietet werden, doch um das finanziell stemmen zu können, müssen die Wohnungsbaugesellschaften bei den restlichen Wohnungen mit den Preisen nach oben gehen. „Die Preisentwicklung in Kronsrode ist vergleichbar mit der in der Wasserstadt“, heißt es aus der Wohnungswirtschaft. Das bedeutet: Auch am Kronsberg entstehen vornehmlich Sozial- und Luxuswohnungen.
Politik, Stadtverwaltung und Investoren müssen sich also etwas einfallen lassen – denn so kann es nicht bleiben. Die von der SPD ins Spiel gebrachte städtische Förderung ist ein wichtiger Baustein, er wird jedoch viele Millionen Euro verschlingen. Auch die von der CDU immer wieder geforderte Kapitalerhöhung für die städtische Wohnungsgesellschaft Hanova ist dringend notwendig. Dem Unternehmen gelingt es nur noch mit viel Mühe, die Mieten in Neubauten unter die Grenze von 10 Euro pro Quadratmeter zu drücken.
Unverständlich bleibt, warum die Landespolitik erst kürzlich die Niedersächsische Bauordnung verschärft und dadurch das Bauen erneut verteuert hat. Vielmehr wäre es an der Zeit, einen Wohnungsgipfel auf Landesebene einzuberufen, um gemeinsame Maßnahmen abzustimmen.
Die Stadtverwaltung muss sich fragen, ob für Neubaugebiete tatsächlich dicke Vorschriftenkataloge nötig sind, die auch noch die Farbe des Fußwegbelags festlegen. Die energetischen Standards für Neubauten herunterzuschrauben, kann angesichts der drohenden Klimakatastrophe hingegen keine Lösung sein.
Unterm Strich dürfte allen Beteiligten klar sein, dass Wohnungen für die Mittelschicht wieder bezahlbar werden müssen – ansonsten wird Hannover nicht mehr wachsen, sondern schrumpfen.
Von Andreas Schinkel
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