Kommentar: Eine Stadt muss verlässlich sein für ihre Bürger
In der Wasserstadt könnten mehr Wohnungen entstehen, als ursprünglich angekündigt. Dafür hat die Stadtverwaltung neue Zielzahlen präsentiert. Fachlich mag das richtig sein – aber mit dem Vorgehen stößt die Verwaltung viele Bürger vor den Kopf, meint HAZ-Redakteur Conrad von Meding.25.
September 2021
Mit dem zweitgrößten hannoverschen Neubaugebiet Wasserstadt ist es ein bisschen wie in alten Ehen. Bei bestimmten Themen reicht ein (falsches) Stichwort, und die Emotionen kochen hoch. Stadtbaurat Thomas Vielhaber hat es getan, und das auch noch wenige Tage nach der Kommunalwahl: Er will dichtere Bebauung prüfen.
Bei der Wasserstadt ist die Zahl der Einwohner ein echter Zankapfel. Erst waren beschauliche 650 Wohnungen in flachen Häuschen geplant. Dann kam 2013/2014 der Wohnungsmangel und die Stadt wollte mehr als 2000 Wohnungen in achtstöckigen Häusern. In zähen Diskussionen mit den Anwohnern lautete der Kompromiss schließlich: maximal 1800 Wohnungen.
Die Zahl wurde sogar in einen Ratsbeschluss gegossen und vor der Kommunalwahl nochmal von den wesentlichen Ratsfraktionen bestätigt. Was also um Himmels Willen bringt einen Stadtbaurat dazu, diese Zahl direkt nach der Wahl infrage zu stellen?
„Die Bebauungsdicht ist geringer als am Kronsberg“
Antwort 1: Weil er es kann. Vielhaber ist seit einem knappen Jahr im Amt. Er ist dafür gewählt, diese Stadt zu gestalten, die Probleme (zum Beispiel am Wohnungsmarkt) zu lösen und dafür auch mal unpopuläre Vorschläge zu machen.
Antwort 2: Weil es neue Investoren für den zweiten Bauabschnitt der Wasserstadt gibt, die behaupten, nur mit dichterer Bebauung lasse sich auch und preiswerter Wohnraum schaffen. Den Beweis sind sie zwar schuldig – bislang haben sie sich nicht aus der Deckung getraut – aber schlüssig ist die Argumentation.
Antwort 3: Weil es fachlich richtig ist. Alle reden von Klimaschutz und davon, weniger Boden zu versiegeln. Dann muss man dort, wo ohnehin eine Industriebrache war, auch klotzen statt kleckern. Das Gerücht, die Wasserstadt werde jetzt schon dichter bebaut als Kronsberg-Süd, stimmt nicht. Eine Anfrage bei der Stadt ergab: Im ersten Bauabschnitt sind es 22 Prozent weniger (9300 statt 11.900 Quadratmeter Bruttogeschossfläche pro Hektar), im zweiten entspricht die Bebauungsdichte der am Kronsberg.
All das sind starke Argumente, die inhaltlich für ein Neuaufrollen der leidigen Debatte sprechen. Nur: Die Art, wie das Baudezernat das Thema angeht, ist irritierend. Anwohner und Politik werden nicht zur ergebnisoffenen Diskussion eingeladen, sondern nur informiert, und das drei Tage, bevor den beteiligten Architekturbüros Unterlagen geschickt werden, sie mögen bitte neue Varianten für mehr Bevölkerung planen. So geht keine gute Beteiligung, so schafft man kein Vertrauen.
Mithin nicht bei der Wasserstadt, wo die Stadtteilbewohner schon lange auf die Lösung ihrer Verkehrsprobleme warten, die durch eine dichtere Bebauung und mehr Menschen eher verschärft werden.
Nach der zuweilen sehr ruppigen Art des ehemaligen Stadtbaurats Uwe Bodemann hatte Vielhaber versprochen, eine neue Beteiligungskultur einzuführen. Davon war beim Wasserstadtmanöver nicht viel zu spüren.
Von Conrad von Meding
Das könnte Sie auch interessieren: