Keine Stadtbahn: Reicht eine Buslinie für die Wasserstadt?
Die Region Hannover hält es weiterhin für unwirtschaftlich, eine Bahntrasse zur Wasserstadt zu bauen. Ein Ausbau der Buslinie 700 stößt im Bezirksrat allerdings auf viel Kritik. Wie soll nun das Verkehrskonzept für das Neubaugebiet aussehen?21.
März 2019
Gerade haben die ersten Tiefbauarbeiten im ersten Bauabschnitt begonnen, in den kommenden Jahren entsteht mit der Wasserstadt ein neues Wohnquartier für rund 3500 Bewohner. Auf welchen Wegen kommen diese 3500 Menschen täglich in die Stadt? Jedenfalls nicht mit einer Stadtbahnverlängerung, die bis in die Wasserstadt führt. Diese Option schließt die zuständige Region Hannover weiterhin aus – sehr zum Ärger der Bezirksratspolitiker.
„Es ist uns nicht gelungen, eine wirtschaftliche Lösung für eine Stadtbahnverlängerung zu finden“, sagte Klaus Geschwinder, Teamleiter Verkehrsentwicklung bei der Region. Ein entsprechendes Gutachten aus dem vergangenen Frühjahr stellte dem Bezirksrat Linden-Limmer in der jüngsten Sitzung vor. Zehn Varianten eines Stadtbahnanschlusses hat ein Gutachterbüro durchgerechnet, keins davon erfüllte die Kriterien für die Wirtschaftlichkeit. Ohne Wirtschaftlichkeit, die nach einem bundesweiten Schlüssel errechnet wird, gibt es keine Zuschüsse von Bund und Land – die Projekte wären daher nicht zu finanzieren.
Der Regiobus der Linie 700, der derzeit über die Wunstorfer Straße direkt an der Wasserstadt vorbeifährt, sei ohnehin eine Minute schneller in der Innenstadt als die Bahn, sagte Geschwinder. Daher plant die Region, die Linie zu verstärken und auf den Elektro-Betrieb umzustellen. Außerdem soll es zwei neue Bushaltestellen in der Wasserstadt geben.
Im Bezirksrat erntete die Region für diese Pläne viel Kritik. Der Bus sei eine Belästigung in der Fußgängerzone der Limmerstraße, sagte Eike Geffers (SPD). „Das ist eine schwachsinnige Vorstellung, dass der Bus schneller wäre als die Straßenbahn“, fügte er hinzu und erhielt dafür viel Zustimmung von anderen Bezirksratspolitikern. Die Untersuchung sei manipuliert worden, sagte Geffers. Verkehrsexperte Geschwinder hielt dagegen, dass den Gutachten selbstverständlich der geltende Busfahrplan zugrunde liege. „Was sollen wir denn machen? Wir können keine gefühlten Fahrzeiten annehmen“, sagte er. „Wenn der 700er so toll ist und so schnell wie die Bahn, wieso brauchen wir dann überhaupt Hochbahnsteige an der Limmerstraße?“, spottete Dirk Machentanz, Fraktionschef der Linken im Stadtrat.
Daniel Gardemin, Fraktionschef der Grünen, erinnerte noch einmal an die Idee seiner Partei, die Wasserstadt mithilfe einer Seilbahn mit der Innenstadt zu verbinden. „Wir glauben nicht, dass das das richtige Verkehrsmittel wäre“, sagte Geschwinder. „Damit gäbe es keine direkte Möglichkeit, zur Innenstadt zu kommen. Und der Tod des ÖPNV ist der Umstieg.“
Nicht nur die Politiker kritisierten die vagen Pläne der Region – auch Uwe Staade von der Bürgerinitiative Wasserstadt meldete sich zu Wort: „Wir brauchen ein Stadtteilverkehrskonzept für Limmer“, sagte er und schlug etwa selbstfahrende Shuttle-Busse von der Wasserstadt zur Stadtbahn vor. „Wir müssen den Durchgangsverkehr rauskriegen“, sagte Staade.
Von Johanna Stein
Kommentar: Wo bleibt das Konzept?
Wenn mehrere Tausend Menschen in ein Neubaugebiet ziehen sollen, schadet es nicht, dieses an den öffentlichen Nahverkehr anzubinden. Ob in der Wasserstadt zwei weitere Bushaltestellen, wie die Region Hannover sie plant, ausreichen, bezweifeln die Politiker in Linden-Limmer. Die Buslinie 700 allein könne wohl nicht genügend Verkehrsteilnehmer befördern, um zu verhindern, dass die Wunstorfer Straße mit Autos verstopft wird. Was fehlt, ist ein Verkehrskonzept. Die Diskussion zwischen Politikern und Verkehrsexperten der Region in der jüngsten Bezirksratssitzung war da wenig ergiebig. Gutachten haben ergeben, dass eine Stadtbahnverlängerung nicht wirtschaftlich ist. Anstatt nun über andere Lösungen nachzudenken, weisen sich die Beteiligten gegenseitig Schuld zu. SPD-Bezirksratsherr Eike Geffers etwa wirft der Region Manipulation vor. Regionsvertreter Klaus Geschwinder entgegnet, dass man nun mal vom geltenden Fahrplan ausgehen müsse.
Bei der Frage, ob die Wunstorfer Straße den zusätzlichen Verkehr durch die Wasserstadt aufnehmen kann, gibt es nach wie vor einen großen Unterschied zwischen der Wahrnehmung der Bürger und den Studien der Region. Während die Untersuchungen ergeben, dass eine Stadtbahnanbindung weder wirtschaftlich noch notwendig ist, können sich Anwohner und Bezirksrat beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Wunstorfer Straße noch Luft nach oben hat. Sollten die Bürger recht behalten, braucht es neue Ideen – am besten von beiden Seiten. Und diese sollten umgesetzt sein, bevor die Wasserstadt bewohnt ist.
Von Johanna Stein
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